Inhalte der Koalitionsverhandlungen aus Kommunalsicht

Christoph Heck • 31. März 2025

Wesentliche Themenfelder mit Auswirkungen auf das Management in Kommunalverwaltungen

Aufgabenkritik, Verwaltungsreform und Finanzierungsengpass

In 16 Arbeitsgruppen werden zurzeit die wesentlichen Inhalte und Zukunftsthemen der künftigen Koalitionspartner auf Bundesebene verhandelt. Da die Entwurfspapiere "geleakt" wurden, liegt es nahe, sich die aufgelisteten Themen und wichtigsten Maßnahmen näher anzusehen. Aus Sicht kommunaler Verwaltungen liegen die Erwartungen auf der Hand: stabile, auskömmliche Finanzausstattung, Altschuldenentlastung und Digitalisierung stehen ganz oben auf der Wunschliste. Aber welche Wünsche werden wohl erfüllt werden? Wie passen die kommunalen Erfordernisse in die Planungen auf der Bundesebene? Gibt es über- oder durchgreifende Einzelthemen?

Folgende Arbeitsgruppen wurden gebildet (Quelle):


  • AG 1 Inneres, Recht, Migration
  • AG 2 Wirtschaft, Industrie, Tourismus
  • AG 3 Digitales
  • AG 4 Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen
  • AG 5 Arbeit und Soziales
  • AG 6 Gesundheit und Pflege
  • AG 7 Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie
  • AG 8 Bildung, Forschung und Innovation
  • AG 9 Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz
  • AG 10 Kommunen, Sport und Ehrenamt
  • AG 11 Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt
  • AG 12 Verteidigung, Außen, Entwicklung, Menschenrechte
  • AG 13 Europa
  • AG 14 Kultur und Medien
  • AG 15 Klima und Energie
  • AG 16 Haushalt, Finanzen und Steuern


Aus kommunaler Sicht enthalten die AGs 2 bis 6, 8 bis10, 12 sowie 15 und 16 besonders intensiv diskutierte Themen und Vorhaben. Darunter die Top-Themen Infrastrukturausbau, Digitalisierung, Planungsbeschleunigung, Krankenhausreform, Bürokratieabbau und Finanzausstattung. Da (fast) alle Themen wechselseitige Wirkungen entfalten, scheint es nützlich, zunächst einen Gesamtüberlick zu entwerfen. Blendet man eher weniger umstrittene Politikfelder aus, könnte sich folgendes Szenario ergeben (vgl. Abb . 1). Die Zusammenstellung der wichtigsten Einzelthemen in einer Liste (eigene subjektive Auswahl) könnte folgendes Bild ergeben (siehe Abb . 2).

Die daraus resultierende Liste der (anspruchsvollen) Reformvorhaben wirkt etwas erschlagend,  wechselseitige Abhängigkeiten - etwa bei Digitalisierung, Planungsbeschleunigung und Verwaltungsreformen - liegen auf der Hand. Das Risiko des Scheiterns scheint hoch. Die Gefahr könnte in der Nicht-Finalisierung einzelner Vorhaben liegen, am Ende blieben viele offene Baustellen aber keine besseren Lösungen übrig. Umgekehrt bietet sich sicherlich die Chance auf eine tiefgreifende Modernisierung von Staat und Verwaltungen.

Können "Schlüsselthemen" identifiziert werden?

Nach den Erfahrungen mit OZG und umstrittenem Konnexitätprinzip liegen wesentliche Erfolgsfaktoren ("Gelingensbedingungen") aus kommunaler Sicht sicherlich in den Themen rund um eine nachweislich hinreichende Aufgabenfinanzierung ("Wer bestellt, zahlt", Praxis-Checks und Kontrollstichproben) und der geplanten Grundgesetzänderung im Bereich des Art. 91c GG. Ohne eine zentrale Rolle der Bundesebene bei der Standardisierung von digitalen Lösungen und der Mitnutzungsmöglichkeit von Ländern und Kommunen, dürfte auch OZG 2.0 unüberwindbaren Umsetzungshemmnissen begegnen.


Damit zusammenhängend ist die Beseitigung von rechtlichen Hemmnissen der Planungsbeschleunigung (z.B. Verbandklagerechte usw.) möglicherweise ein weiterer Schlüssel zum Erfolg. Die Übernahme der Prinzipien des Beschleunigungsgesetzes und die Umsetzung der Reformen im Baurecht könnten ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor werden. Kombiniert mit einem digitalisierten Justizapparat und einem moderneren Registerrecht könnten spürbare Verbesserungen entstehen.


Fragt man also nach Schlüsselfaktoren, ergibt sich: Digitalisierung, Verfahrensbeschleunigungen und Entbürokratisierung (Verschlankung rechtlicher Anforderungen). Und natürlich: eine auskömmliche Finanzausstattung für die Kommunen.


Die drei genannten Schlüsselfaktoren treffen auf eine finanziell angespannte kommunale Realität und eher knappe Personalressourcen. Sollte die geforderte Entbürokratisierung zu beschleunigten Verfahren und einer kritischen Überprüfung von staatlichen Aufgaben führen, könnte zusammen mit optimierten Abläufen (Prozessen) und vereinheitlichten Grundbegriffen tatsächlich
ein Ziel näherrücken: ein "effizienter Staat".

Kommunalverwaltungen zwischen Aufgabenkritik, Verwaltungsreform und Finanzierungsengpass
Textauszüge aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU/SPD vom April 2025 zu ausgewählten Themen
von Christoph Heck 9. April 2025
Im Beitrag finden sich ausgewählte Textstellen zu wesentlichen Themenkreisen des Koalitionsvertrags mit kommunalem Bezug, beispielsweise zur Altschuldenproblematik, Digitalisierung und Änderungen in der Zusammenarbeit von Bund-Ländern und Kommunen, insbesondee bei der sogenannten Konnexitätsproblematik.
von Christoph Heck 28. März 2025
Digitale Kassenprüfungen als continuous auditing Aufgabe der örtlichen Rechnungsprüfung in Kommunen
Praisberichte zu ProM-Projekten in Kommunalverwaltungen (Process Mining in Kommunen)
von Christoph Heck 26. März 2025
ProM-Projekte mit Process Mining in Kommunen (ProM-Analysen)
von Christoph Heck 13. März 2025
Was sind "JET-Analysen" ? Suche nach Auffälligkeiten Zur Feststellung von Auffälligkeiten (z.B. Ausreißer oder Doubletten) werden gemäß IDW PH 9.330.3, Tz. 72 in der Praxis Analysen durchgeführt, die oft unter dem Begriff „Journal Entry Testing (JET-Analysen)“ zusammengefasst werden. Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen eignen sich sowohl zur Analyse des Kontrollumfelds als auch zur Feststellung von ungewöhnlichen Buchungen bzw. Merkmalen aus der Abbildung von Transaktionen. Bei festgestellten Auffälligkeiten sind weitere Prüfungshandlungen (insb. vertiefende Belegprüfungen) einzuleiten, um deren Ursachen anhand der zugrundeliegenden Geschäftsvorfälle zu untersuchen. Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen liegt die Vorstellung zugrunde, dass die in einem Grund- oder Zeitbuch strukturierten Buchungssätze mittels digitaler Analysen zuverlässige Signale zu Fehlern oder Unregelmäßigkeiten (=Auffälligkeiten) eines computergestützten Buchführungsverfahrens vermitteln. Typische Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen sind Schichten-, Gegenkonten-, Wochentags-, Belegverarbeitungs- oder Ziffernanalysen. Zur Veranschaulichung der Vorgehensweise einer JET-Analyse wird gerne auch die „7-W-Regel“ herangezogen. Demnach sind die folgenden sieben „W-Fragen“ zu beantworten : Warum wurde gebucht (Verursachung, Rechtsgrundlage) Was wurde gebucht (Art des Geschäftsvorfalles)? Wer hat gebucht (User)? Wann wurde gebucht (zeitgerecht/Zeitpunkt/periodengerecht)? Wie wurde gebucht (Sammel-/Einzelbuchung, automatisch/manuell)? Wohin wurde gebucht (sachlich zutreffende Konten-Zuordnung)? Welcher Betrag wurde gebucht (Betragshöhe abstimmbar?)? Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen folgen grundsätzlich den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Datenanalysen. Demnach sind auch bei JET-Analysen die Hauptschritte Festlegung, welche Fehlerrisiken mittels Datenanalysen identifiziert bzw. in welchen Bereichen Datenanalysen eingesetzt werden sollen (=Analyseplanung) Definition der erwarteten Analyseergebnisse i.S.v. Vergleichs- und Erwartungswerten oder von Schwellen- und Toleranzwerten (Ergebniserwartung(en)) Aufgabendefinition und Auswahl der Analysemethode (=Projektmodell) Auswahl der für die Prüfungsdurchführung geeigneten Datenanalysewerkzeuge oder einer Kombination unterschiedlicher Analysewerkzeuge (IDEA/ACL, Excel, ActiveData Python, R, KNIME, ChatGPT, usw.) Bestimmung der für die Datenanalyse erforderlichen Datenquellen und Ansprechpartner Anforderung oder Bereitstellung der für die Datenanalyse benötigten Daten (Datenselektion) Abstimmung der erhaltenen Daten auf Richtigkeit, Vollständigkeit, Abdeckung des erforderlichen Zeitraums etc. (Validierung, Sichtprüfung) Aufbereitung der Daten für die Datenanalyse (z.B. durch Harmonisierung von Datenfeldlängen oder -formaten oder Erzeugung von Berechnungsfeldern) Durchführung und Dokumentation der eigentlichen Datenanalyse (Berechnungen) Interpretation des Ergebnisses der durchgeführten Datenanalyse in Bezug auf die zu treffenden Prüfungsaussag Zusammenfassung und Berichterstattung Qualitätssicherung und Dokumentation der Prüfungsdurchführung und der Prüfungsergebnisse in den Arbeitspapieren Der (erhoffte) Nutzen von Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen Das Potential der Massendatenanalyse in Form einer Journal Entry Testing bzw. JET-Analyse insbesondere auch für eine wirtschaftliche Prüfung zeigt das folgende Beispiel (vgl. Zeis,A.:, Kommunale Rechnungsprüfung, 6.A., 2023, S. 227): Geprüft werden soll, ob Gehaltszahlungen nur an Beschäftigte mit laufendem Beschäftigungsverhältnis geleistet werden. Die Aufnahme des Geschäftsprozesses hat ergeben, dass alle Beschäftigten in einer Stammdatenliste geführt werden. Jedem Beschäftigten wird vom System bei der erstmaligen Erfassung eine eindeutige, fortlaufende Personalnummer und eine Kreditorennummer zugewiesen. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens wird der Datensatz des Ausscheidenden vom Personalsachbearbeiter als "inaktiv" gekennzeichnet, dadurch wird automatisch die Kreditorennummer gelöscht. Die örtliche Prüfung beabsichtigt nun, u.A. durch den Abgleich aller Gehaltsüberweisungen im Prüfungszeitraum mit der Stammdatenliste zu Beginn und zum Ende des Prüfungszeitraumes Aussagesicherheit über 100 % der Grundgesamtheit zu schaffen oder im Falle von Abweichungen Ansatzpunkte für gezielte Einzelfallprüfungen zu generieren. Der Vorteil der Strategie sei, dass diese Prüfungshandlungen mit den Funktionen der Massendatenanalyse sehr schnell durchzuführen sind. Einzelfragen beim Einsatz von Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen Massendatenanalysen (Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen) verfolgen nach Zeis, A. (2023, S. 226) drei Grundfunktionen: • die Prüfung eines Datenbestandes im Hinblick auf Einhaltung bestimmter Kriterien und Vorgaben, • den Nachvollzug mathematischer Operationen und • den Abgleich unterschiedlicher Datenbestände. Massendatenanalysen ((Journal Entry Testing bzw. JET-Analysen) umfassen demnach im Einzelnen (Zeis, a.a.O, S. 230 ff.) Export und Import von Daten aus und in verschiedene Datenformate; Abgleich zweier Datenbestände bezüglich definierter Felder mit Ausgabe entweder nur der Übereinstimmungen in beiden Dateien oder der Datensätze in Datei 1 ohne Übereinstimmung in zweiter Datei bzw. der Datensätze in Datei 2 ohne Übereinstimmung in erster Datei. Dies erlaubt z.B. die Mehrfachbelegungsanalyse von Stammdatennummern oder eine Lückenanalyse; Zusammenführen von Datenbeständen, die identisch aufgebaut sind, also z. B. Zeiterfassungen eines Jahres mit denen anderer Jahre, um eine Analyse über mehrere Jahre durchführen zu können; Verknüpfen von unterschiedlich aufgebauten Datenbeständen mit Hilfe eines gemeinsamen Feldes, z. B. das Kreditorenkonto aus dem Journal mit den Informationen zum Kreditor aus der Kreditorenstammdatenliste; Extraktion von Daten, die bestimmte Kriterien aufweisen (Beträge, Daten, auch Spannen); Sortieren und Indizieren z. B. erst nach Buchungsmonat, dann nach Kreditor und schließlich nach Betrag; Gruppieren nach identischen Merkmalen und Zwischensummen bilden; Feldstatistik: welche Werte enthält das Feld, Maximum, Minimum, Mittel; Schichtung: Einteilung von Daten in Schichten und Bandbreiten mittels Ober- und Untergrenzen und Schrittgrößen; Berechnungen mittels Formeln auch aus mehreren Feldinhalten vornehmen und berechnete Felder mit Datensatzelementen vergleichen; Mit Hilfe von Pivot-Tabellen können Funktionalitäten wie Extraktion, Sortieren und Gruppieren und Berechnen kombiniert werden; das macht die Darstellung großer Datenvolumina in überschaubarer Form und komplexere Abfragen möglich (Umsätze mit einem Debitor nur im Mai und über der Schwelle von 1.000 Euro); Die Drill-Down-Funktion ermöglicht den Sprung von der Gruppe zum einzelnen Datensatz.
von Christoph Heck 13. März 2025
Aufbau individueller Fähigkeiten rund um das Datenmanagement
von Christoph Heck 10. März 2025
Gefährdung der stetigen Aufgabenerfüllung einer Kommune durch Verlustvorträge?
von Christoph Heck 27. Februar 2025
Das Land NRW beabsichtigt Kommunen mit besonders hohen Liquiditätskrediten teilweise zu entschulden. Ziel ist es, dass nach der Entschuldung keine Kommune mehr als 1.500€ Kassenkredite pro Einwohner hat. Dafür werden über die nächsten 30 Jahre jeweils 250 Mio Euro Bereitgestellt.
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